Qualzucht bei Hunden: Wenn das Aussehen krank macht Dieser Artikel ist tierärztlich verifiziert

Mops Qualzucht

Viele Rassen wie der Mops leiden häufig unter ihrem extremen Aussehen.

Kleiner, skurriler, niedlicher: Modetrends machen auch vor Haustieren nicht halt. Einige Hunderassen leiden unter extremen Zuchtzielen und sind meist nicht mehr in der Lage, ein normales Leben zu führen. Tierschützer kritisieren immer wieder Qualzucht bei Hunden und ihre unkritische Darstellung. Was bedeutet Qualzucht für die Tiere und was sagt das Tierschutzgesetz? Hier erfahren Sie mehr über die betroffenen Qualzucht-Rassen und ihre gesundheitlichen Probleme.

Was ist Qualzucht bei Hunden?

Qualzucht bei Hunden liegt vor, wenn die Zuchtstandards auf Qualzuchtmerkmale (beispielsweise Haarlosigkeit oder Kurzköpfigkeit) ausgelegt sind oder ihre Folgen Schmerzen, Leiden oder Schäden (also Qualen) für das Tier bedeuten, die aber vom Züchter trotz gesundheitlicher Risiken hingenommen werden.

Lebenslange gesundheitliche Probleme

Die Folgen können unter anderem Entzündungen der Haut oder Bindehaut, Rücken- und Gelenkprobleme, Lahmheiten, Atemnot, Fehlbildungen der Körperform sowie des Gebisses und des Schädels sein.

Die angezüchteten Defekte und ihre Folgen führen nicht nur zu lebenslangen Leiden, Schäden oder Verhaltensstörungen, sondern auch zu einem früheren Tod des Tieres.

Alle Hunde mit Qualzuchtmerkmalen benötigen durch ihren Gesundheitszustand häufigere tierärztliche Behandlungen beziehungsweise eine intensivere Pflege durch ihre Besitzer.

Sind alle Tiere aus einer Qualzucht betroffen?

Die Ausprägungen der Merkmale können sehr unterschiedlich sein und auch eine Generation in der Zucht überspringen. Alle Nachkommen einer Zucht tragen die entsprechenden genetischen Erbanlagen in sich, diese müssen aber nicht immer in jeder Generation sichtbar sein.

Das bedeutet, dass auch ein Tier einer Qualzuchtrasse ohne „sichtbares“ Merkmal, dieses in die nächste Generation weitergibt und die Nachkommen dann darunter leiden.

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Hunderassen-Liste: Qualzucht-Merkmale, die Sie kennen sollten

Grundlegendes Ziel der Zucht ist es immer, bestimmte Merkmale herauszuzüchten, die zu Veränderungen im Körper und Charakter der Tiere führen.

Dies kann sich auf Größe und Proportionen, Fellfarbe oder -struktur sowie auf ästhetische Merkmale beziehen. Auch eine hohe Leistung oder eine besondere Charakterstärke können ein Zuchtziel sein, zum Beispiel bei Hüte- oder Jagdhunden.

Bei Qualzuchten werden diese Zuchtziele bewusst meist aus rein ästhetischen Gründen und auf Kosten der Gesundheit der Tiere extrem ausgereizt.

Welche Hunderassen gehören zur Qualzucht?

Im Folgenden finden Sie eine Übersicht über die häufigsten Qualzuchtmerkmale, eine Liste der betroffenen Hunderassen und die möglichen gesundheitlichen Folgen.

Grundlage hierfür ist ein Gutachten zur Auslegung des § 11b des deutschen Tierschutzgesetzes (Verbot der Qualzucht) durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Das Gutachten soll insbesondere Züchtern helfen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und die Bestimmungen des Tierschutzgesetzes vollständig einzuhalten. Das Gutachten erläutert, welche Zuchtziele mit dem geltenden Tierschutzgesetz nicht vereinbar sind.

Kurzköpfigkeit (Brachyzephalie)

Der Mops ist zum Symbol für Qualzucht geworden. „Nicht süß, sondern gequält“ lautete der Titel einer Pressemitteilung der Bundestierärztekammer über das sogenannte brachyzephale Syndrom.

Lebenslange Atemnot

Aufgrund ihres langen Gaumensegels und der engen Nasenlöcher können kurzköpfige Hunde nur schwerer atmen. Sie vertragen Hitze nicht gut und haben häufig Schlafprobleme. Bei heißem Wetter oder wenn sie sehr aufgeregt sind, besteht sogar Lebensgefahr, wenn sie schwere Atemprobleme haben.

Durch die Verkürzung des Oberkiefers und die Verformung der Schädelknochen schließen die Zähne zudem meist nicht richtig und ein normales Zubeißen ist in der Regel nicht möglich. Viele Tiere leiden außerdem unter Augen- und Ohrenproblemen, Zahnfehlstellungen oder Hautinfektionen.

Betroffene Rassen sind unter anderem:

Kurzschwänzigkeit oder Schwanzlosigkeit

Die Kurzschwänzigkeit oder Schwanzlosigkeit (Brachy- oder Anurie) tritt mit verschiedenen Fehlbildungen der Wirbelsäule auf. Es können verschiedene Wirbelmissbildungen wie Keilwirbel, Blockwirbel oder Schmetterlingswirbel, sowie ein offener Rücken (Spina bifida) auftreten.

Durch eine gestörte Entwicklung des Rückenmarkes kommt es zu Nervenstörungen und Lähmungen der hinteren Körperhälfte und Inkontinenz. Zusätzlich kann es zu Fehlbildungen des Beckens, des Gehirns (Anenzephalie) und zu einem starken Hervortreten der Augen (Exophthalmus) kommen.

Bei der Kreuzung zweier schwanzloser Tiere kommt es zudem oft zu Totgeburten. Der Schwanz dient zur Balance beim Laufen und als Kommunikationsmittel. Den betroffenen Tieren ist somit kein arttypisches Verhalten mehr möglich.

Betroffene Rassen:

Haarlosigkeit

Nackthunde (haarlos gezüchtete Hunde) leiden unter Immunschwäche und Zahnfehlstellungen. Außerdem bekommen sie schneller Sonnenbrand und frieren im Winter schneller. Wenn Nackthunde gekreuzt werden, sind die Nachkommen oft nicht lebensfähig.

Betroffene Rassen:

Knorpelmissbildungen

Bei der Chondrodysplasie handelt es sich um eine genetisch bedingte Störung der Knorpel- und Knochenentwicklung mit einer vorzeitigen Fehlbildung im Bereich der Bandscheiben. Erkennbar ist die Krankheit an den verkürzten Extremitäten und einer Fehlstellung der Beine.

Dies führt zu einem vorzeitigen Wachstumsstillstand, dem sogenannten Zwergwuchs. Aufgrund des langen Rückens treten Bandscheibenvorfälle viel häufiger auf und sind auch als Dackellähme bekannt. Besonders schwere Fälle führen zu Komplikationen und Störungen der Blasenentleerung und des Stuhlgangs. Manche Tiere sind trotz Operation nie wieder in der Lage, selbständig zu laufen.

Betroffene Rassen:

Dackel Qualzucht © Dixi_ / stock.adobe.com
Langer Rücken und Kurzbeinigkeit beim Dackel.

Knochenmissbildungen

Einige Hunderassen wurden so gezüchtet, dass sie einen so steil abfallenden Rücken haben. Mit ihrer deformierten Hinterhand können manche Tiere nicht mehr laufen.

Viele von ihnen leiden auch an einer Hüftgelenkdysplasie (HD), die mit zunehmendem Alter zu einer sogenannten Coxarthrose (schmerzhafte Umbauprozesse im Hüftgelenk) führt. Die Folge sind Schäden am Gelenkknorpel und Überlastungen der Gelenkkapsel, Bänder und Sehnen. Die Tiere leiden zum Teil erheblich, da ein Leben ohne dauerhafte Schmerzen nicht möglich ist.

Besonders betroffen sind Deutsche Schäferhunde – man geht davon aus, dass etwa jeder fünfte Deutsche Schäferhund betroffen und damit eine Qualzucht ist.

Deutscher Schäferhund Qualzucht © dogist / stock.adobe.com
Ein Deutscher Schäferhund mit stark abfallender Rückenlinie.

Kleinwüchsigkeit (Teacup)

Sehr klein gezüchtete Zwerghunderassen heißen auch Teacup. Für die Züchtung werden extra die kleinsten und schwächsten Tiere gekreuzt, daher besteht ein hohes Risiko, an genetisch bedingten Problemen zu erkranken.

Das Züchten von Teacup-Hunden ist laut den meisten Zuchtordnungen eigentlich verboten, da nur mit Hunden ab zwei Kilogramm gezüchtet werden darf.

Zahlreiche gesundheitliche Probleme

Durch die geringe Größe kommt es oft zu Geburtsproblemen durch den zu großen Kopf für den Geburtskanal. Da das Gehirn immer noch verhältnismäßig groß ist, leiden die Tiere oft unter einem sogenannten Wasserkopf, der zu Folgeerkrankungen und einem frühzeitigen Tod führt.

Teacup-Hunde haben zudem häufig folgende gesundheitliche Probleme:

  • eine offene Schädeldecke (durch die offenen Fontanellen kann das Gehirn leicht verletzt werden)
  • eine Patellaluxation (Herausspringen der Kniescheibe aus der Führungsrinne des Kniegelenks)
  • Herzklappenfehler
  • Kieferprobleme
  • Leberschäden
  • eine gestörte Blutzuckerregulierung

Betroffene Rassen sind unter anderem:

Chihuahua Qualzucht © Phuttharak / stock.adobe.com
Hervorstehende Augen (Exophthalmus) und Zwergwuchs beim Chihuahua.

Hauteinstülpungen am Rücken (Dermoidzysten)

Rhodesian Ridgebacks wird als typisches Rassemerkmal ein Fellstrich (Ridge) angezüchtet, der entgegen der Fellrichtung parallel zur Wirbelsäule wächst. Dieses Merkmal verursacht jedoch bei einigen Tieren einen offenen Rücken mit einer Veränderung der Wirbelsäule.

Während der Embryonalentwicklung werden Rückenmark und Haut nur unvollkommen oder gar nicht voneinander getrennt. Dadurch können Zysten am Rücken entstehen, die sich entzünden und bis hin zu einer Hirnhautentzündung und gelähmten Hinterbeinen führen können.

Rhodesian Ridgeback Qualzucht © Tatiana Katsai / stock.adobe.com
Ein Rhodesian Ridgeback mit entgegengesetztem Fellstrich (Ridge) am Rücken.

Merle-Faktor

Der Merle-Faktor bezeichnet eine bestimmte Farbvariation im Hundefell. Durch eine Genmutation werden die Pigmente in den Hundehaaren verändert, das Fell wird dadurch heller und gescheckt. Die Augenfarbe wird dadurch ebenfalls verändert – viele Hunde haben ein oder zwei blaue Augen.

Bei vielen Tieren führt das Merle-Gen jedoch zu Ohren- und Augenproblemen. Eine Verformung von Herz, Knochen und Geschlechtsteilen kommt auch oft vor. Betroffene Welpen sind meist schlapp und sterben oft noch vor der ersten Geschlechtsreife.

Betroffene Rassen:

Australian Shepherd Merle Qualzucht © melounix / stock.adobe.com
Ein Australian Shepherd mit Merle-Fellzeichnung und blauen Augen.

Gestörte Pigmentierung der Haare (Blue-dog-Syndrom auch Colour Dilution Alopecia)

Durch eine Veränderung des sogenannten Dilute-Gens entsteht die Fellfarbe Blue, Silber, Charcoal oder Champagner.

Das Blue-Gen erhöht aber auch das Risiko für Hauterkrankungen, Herzprobleme und Schäden am Immunsystem. Betroffene Tiere leiden häufiger an Hautekzemen, starkem Juckreiz, Fellverlust und einer schlechten Wundheilung. Ein normales Leben ist oft nicht mehr möglich, da die Krankheiten nicht heilbar sind. Sie lassen sich mit Medikamenten nur kurzfristig erträglich machen.

Betroffene Rassen:

Fehlstellung des Augenlids

Einige Hunderassen leiden häufig an Augenproblemen – darunter vor allem an einem Auswärtsrollen des unteren Augenlidrandes (Ektropium).

Ein vollständiges Schließen der Lider ist nicht möglich und deshalb leiden die Tiere unter Tränenfluss, Bindehautentzündungen und teilweise an Hornhautveränderungen.

Betroffene Rassen sind unter anderem:

Basset Qualzucht © cynoclub / stock.adobe.com
Ektropium beim Basset.

Übermäßige Hautfaltenbildung

Eine übermäßige Hautfaltenbildung führt zu einer unzureichenden Belüftung der Haut mit einer Störung des lokalen Hautmilieus. Die Folgen sind Hautfaltendermatitis (Intertrigo), eine oberflächliche Hautentzündung zwischen den Hautfalten. Es wird ein Befall mit Milben begünstigt.

Betroffene Rassen:

  • Shar Pei
  • Mops
  • Englische Bulldogge
  • Basset Hound
Shar Pei Qualzucht © Dogs / stock.adobe.com
Extreme Faltenbildung beim Shar Pei.

Blaue Augen

Blauäugige Tiere und Tiere mit verschiedenfarbigen Augen zeigen häufig Augenerkrankungen wie Netzhautveränderungen, Augenzittern oder Schielen.

Betroffene Rassen: Australian Shepherd

Ist Qualzucht bei Hunden gesetzlich verboten?

Die gesetzlichen Regelungen zur Qualzucht variieren von Land zu Land. Hier ein paar Beispiele:

  • In Deutschland ist eine Züchtung mit Qualzucht-Merkmalen nach § 11b (so genannter Qualzuchtparagraph) des Deutschen Tierschutzgesetzes (TierSchG) verboten.
  • Österreich verbietet im § 5 Abs. 2 des Tierschutzgesetzes ebenso die Zucht sowie den Import, Erwerb, die Weitergabe und die Ausstellung.
  • In der Schweiz ist es ausdrücklich nicht erlaubt, Tiere zu züchten, wenn bei Elternteilen oder bei den Nachkommen durch das Zuchtziel bedingte oder damit verbundene Schmerzen, Leiden, Schäden oder Verhaltensstörungen verursacht werden.

Tierschutzgesetze bleiben oft unkonkret

Eine genaue Definition des Begriffes Qualzucht und eindeutigen Merkmalen bleiben in den verschiedenen Tierschutzgesetzen allerdings aus – somit bleibt es meist Auslegungssache.

Das hat zur Folge, dass jedes Veterinäramt und jedes Gericht seine eigene Definition anwenden kann. Dies kann bis hin zu einem Zuchtverbot oder einer Kastrationspflicht führen. In der Regel haben die Behörden jedoch Schwierigkeiten, die Qualzuchten rechtlich zu verfolgen und konkrete Verbote auszusprechen.

Qualzucht bei Hunden: Gemeinsam Verantwortung übernehmen

Gesetzgebung und Durchsetzung allein sind nicht entscheidend. Vor allem Züchter und Verbände sollten sich für tierschutzkonforme Zuchtbestimmungen einsetzen und ihrer Verantwortung für die Gesundheit ihrer Tiere gerecht werden.

Es fehlt an Aufklärungsarbeit

Um ein allgemeines Bewusstsein für die Problematik der Qualzucht bei Hunden zu schaffen, ist auch die Aufklärungsarbeit in der Öffentlichkeit von großer Bedeutung. Durch die unkritische Darstellung von Qualzuchten, insbesondere in den sozialen Medien, aber auch durch die Unwissenheit der (potenziellen) Tierhalter ist die Nachfrage nach solchen Rassen nach wie vor hoch.

Das bedeutet, dass nicht nur der Gesetzgeber und die Züchter, sondern auch die Verbraucher, die Medien, Influencer und Unternehmen hier in der Verantwortung stehen. In jedem Fall bedarf es eines Umdenkens und bewussterer Entscheidungen und Kommunikation zum Wohle der Tiere.

Quellen:


Dr. Julia Striegl, Tierärztin
autorenbild julia striegl mit hund

An der LMU München habe ich bis 2012 Tiermedizin studiert und promoviert. Danach konnte ich viele Erfahrungen sammeln, unter anderem als praktizierende Tierärztin und wissenschaftliche Beraterin. Besonders am Herzen liegen mir eine stetige Verbesserung von Tierschutz und die Nutztiermedizin. Mein größtes Anliegen war es immer, im Interesse meiner Patienten zu handeln und ihnen eine optimale Versorgung zu gewährleisten. Neben meinem tierärztlichen Wissen teile ich gerne meine Erfahrungen als Reiterin und langjährige Hundebesitzerin sowie -sportlerin.


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